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End-to-End-Prozesse

Geschrieben von Maren Rixen | Apr 19, 2023 8:34:18 AM

Modern Work, digitale Transformation oder Automatisierung – viele Aspekte moderner Unternehmensführung profitieren von sauber abgestimmten und gut getakteten End-to-End-Prozessen. Indes ist die Realität oft eine andere. Im Laufe der Zeit haben sich vielerorts Prozesse entwickelt, die eben keine durchgängigen Handlungsabläufe abbilden, sondern eher, dieser Klartext sei gestattet, nach dem Prinzip „Mist rein, Mist raus“ funktionieren. Die Folge ist eine Welle der Ineffizienz, die durch die gesamte Organisation rollt und an Wucht gewinnt, je weiter der Prozess fortgeschritten ist.

Dafür kann es mehrere Gründe geben. Vieles ist historisch gewachsen. In manchen Unternehmen herrschen noch ausgeprägte Silostrukturen vor – jeder Bereich ist sich selbst der Nächste; ein zielführender Austausch findet nicht statt. Ein klassisches Beispiel: Der Vertrieb verspricht einem Kunden die Lieferung zu einem Zeitpunkt, den die Produktion überhaupt nicht einhalten kann. Hauptsache, der Auftrag ist unter Dach und Fach…

Nicht zuletzt sind einige Unternehmen noch traditionell und relativ starr nach Funktionen gegliedert, auch mit Blick auf die Vorstandsressorts. Jede Vorständin, jeder Vorstand bearbeitet ein abgeschlossenes Handlungsfeld – und zwar ohne durchlässige Verbindung zu den anderen. Transparente Prozesse können in solchen Organisationen nicht entstehen. Heterogene, mäßig verknüpfte Softwarelandschaften verschärfen mitunter das Problem.

Kein Wunder also, dass zahlreiche Unternehmen jetzt umdenken. Sie realisieren, dass sie an ihre Grenzen stoßen und schnellere, skalierbare Prozesse benötigen. Schließlich möchten sie in neue Kunden- und Marktsegmente hineinwachsen und mit Krisen, Transformationen und technologischem Fortschritt mithalten. Anders gesagt: Um wettbewerbsfähig zu bleiben, benötigen sie Flexibilität, Kollaboration und Tempo, wie sie nur mit gut designten End-to-End-Prozessen zu erreichen sind.

 

Probleme an den Schnittstellen

Als End-to-End-Prozesse werden miteinander verknüpfte Teilprozesse bezeichnet, die relevante Unternehmensvorgänge abteilungsübergreifend und durchgehend steuern. Alle Schnittstellen und Übergaben sind sauber definiert, Informationen fließen reibungslos, Doppelarbeiten werden vermieden. Unternehmerische Handlungen werden verlässlich und konsistent ausgelöst, ob nun eine unbezahlte Rechnung zu einer Mahnung führt oder die Produktion zur rechten Zeit eine Bestellung bearbeitet.

Der Aufwand lohnt sich: Schließlich dürften – laut einschlägiger Literatur – im Durchschnitt 60 Prozent der Durchlaufzeiten eines Prozesses auf die Schnittstellen entfallen. Vor allem, weil die Beteiligten an den Übergabepunkten ständig neu verhandeln, wer verantwortlich respektive zuständig ist. Wenn man sich nun vor Augen führt, wie viele Prozesse es in einem Unternehmen gibt, wird sofort deutlich, wie viel Leistungskraft durch ein schlüssiges End-to-End-Design gewonnen wird. Grundsätzlich lassen sich die Prozesse dabei in drei Gruppen einteilen:

  • Managementprozesse umfassen unter anderem die Vertriebs- und Finanzplanung, das Energie- und Umweltmanagement sowie das Qualitätsmanagement.
  • Kernprozesse enthalten alle wesentlichen Abläufe in Produktentwicklung, Vertrieb und Marketing, Lagerhaltung und Logistik sowie Beschaffung und Produktion.
  • Als Unterstützungsprozesse sind Vorgänge in Finanzbuchhaltung und Controlling, Personalwesen, IT-Prozesse und Qualitätssicherung von hoher Bedeutung.

Wie eng all diese Prozesse miteinander verknüpft sind, zeigt beispielhaft der Prozess „Order-to-Cash“ (von der Bestellung zur Forderung) entlang einer typischen Customer Journey: Ein Kunde benötigt eine Ware oder einen Service und wird dank guten Marketings auf ein Unternehmen aufmerksam. Der Vertrieb holt den Auftrag herein und wirft die interne Maschinerie an, damit das Produkt erzeugt wird. Die komplette Supply Chain muss funktionieren, damit die Logistik zum gewünschten Zeitpunkt liefert, die Rechnung gestellt wird sowie – möglicherweise – der After Sales Service in Aktion tritt. Das Management erhält vom Controlling die aktuellen Umsatzzahlen und kann entscheiden, ob das Produkt oder der Service speziell promotet wird. Der Vorgang durchläuft somit alle Prozesse des Unternehmens, keiner kann isoliert betrachtet werden.

Selbstredend gliedert sich jeder relevante End-to-End-Prozess in eine Reihe von Unterprozessen mit Verzweigungen, Verknüpfungen und Schleifen. So entstehen komplexe Prozesslandschaften, die kontinuierlicher Pflege und Zuwendung im Detail bedürfen.

Durch den Fokus auf End-to-End-Prozesse wandeln sich Unternehmen zunehmend von einer rein funktionell gegliederten zu einer eher prozessorientierten Organisation. Die interne Wertschöpfungskette rückt dabei ins Zentrum des Interesses, gestaltet mit möglichst einfachen und klaren Abläufen, flachen Hierarchien und dezidiert kundenorientiert. Ohnehin ist es ein Kennzeichen qualitativ hochwertiger End-to-End-Prozesse, dass sie konsequent nach den Bedürfnissen der Kunden konstruiert werden.

 

„Um wettbewerbsfähig zu bleiben, benötigen Unternehmen Flexibilität, Kollaboration und Tempo, wie sie nur mit gut designten End-to-End-Prozessen zu erreichen sind.", sagt Maren Rixen. 

Effektive Prozesse in SAP S/4HANA: Aufräumen für mehr Erfolg

Ein Projekt, bei dem in Unternehmen häufig zutage tritt, wie viel Nachholbedarf es beim Thema End-to-End Prozesse gibt, ist die Einführung eines Enterprise Resource Planning (ERP) wie SAP S/4HANA.

Die Implementierung von SAP S/4HANA ist weit mehr als der Wechsel zu einer neuen Software. Die Funktionsbereiche eines Unternehmens kommen deshalb nicht umhin, sich intensiv über ihre Zusammenarbeit auszutauschen, es bietet sich also an, in diesem Zuge alle relevanten Prozesse im Sinne des Ende-zu-Ende-Gedankens neu zu gestalten. Mehr zur S/4HANA-Transformation erfahren Sie im Themenschmiede-Beitrag „Mit Transformationsmanagement auf Erfolgskurs“. 

Vertrauen als Basis

Doch wie bekommt ein Unternehmen seine End-to-End-Prozesse in den Griff? Es führt kein Weg daran vorbei, Transparenz zu schaffen und den Kern ineffizienter Prozesse zu beseitigen: mangelnde Kommunikation.

Wenn sich Vertreter aller an einem Prozess beteiligten Bereiche und Abteilungen in einem Workshop zusammenfinden und die Prozesse visuell darstellen, werden die Diskussionen häufig von ungezählten Aha-Effekten begleitet. Schnell wird deutlich, wo Doppelarbeiten entstehen, wo Brüche auftreten und wo der Prozess einfach stehenbleibt, weil es keine verabredete Routine für den nächsten Schritt gibt. Im Dialog wird – mitunter schmerzlich – bewusst, an welchen Punkten Abteilungen eher aneinander vorbei statt Hand in Hand arbeiten. Ebenso kommen die heiklen Prozessphasen, in denen improvisiert oder mit unerwünschten Workarounds agiert wird, unweigerlich ans Licht.

Als Ergebnis solcher Workshops stehen nicht nur Verbesserungspotenziale für gut strukturierte Prozesse auf den Whiteboards, sondern es werden gleichzeitig kulturelle Impulse gegeben. Die Teilnehmenden entwickeln ein kollektives Bewusstsein dafür, dass der eigene Output jeweils der Input der im Prozess nachfolgenden Kolleginnen und Kollegen ist. Damit verbunden ist überraschend oft die Erkenntnis: Ohne gegenseitiges Vertrauen geht gar nichts. Jeder in der Prozesskette muss sich auf die vorgelagerten Ergebnisse verlassen (können) und ohne erneute Prüfung der Information weiterarbeiten.

Die Mühe der Prozessanalyse lohnt sich: Eine digitale Dokumentation ermöglicht den Mitarbeitenden jederzeit Zugriff auf eine aktuelle Prozessübersicht. Information lassen sich leicht auffinden. Bei Problemen und Fragen sind sie somit sofort auskunftsfähig. Visuelle Modelle erleichtern den Austausch untereinander, wenn Zweifelsfälle geklärt oder Prozesse weiter optimiert werden sollen. Urlaubs- und Nachfolgeregelungen lassen sich einfach und reibungslos realisieren. Zudem werden bei der Prozessaufnahme und Dokumentation Schwachstellen in den Systemen und Strukturen aufgedeckt.

Ein Schmerzpunkt, an den die Unternehmen dabei fast unweigerlich geraten, sind die Stammdaten. Als Treibstoff eines guten Prozesses müssen sie immer auf dem aktuellen Stand gehalten und verlässlich gepflegt werden. Dabei gilt es, immer wieder auch in den Rückspiegel zu schauen: In jedem Prozessschritt sollten die benötigten Daten vollständig und fehlerfrei ankommen. Für Struktur und Pflege der Stammdaten sind deshalb verbindliche Verabredungen unabdingbar.

End-to-End als Dauerbaustelle

Wenn alle Optimierungspotenziale gesammelt und kategorisiert sind, fängt die Arbeit in den Unternehmen erst richtig an. End-to-End-Prozesse bedingen Anpassungen in den Handlungsfeldern Strukturen, Systeme, Führung und Kultur.

Einiges lässt sich sicher schnell – Stichwort „Quick Win“ – realisieren, anderes erst mittelfristig in einigen Wochen oder langfristig in mehreren Monaten umsetzen. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass End-to-End-Prozesse eine Dauerbaustelle bedeuten: Veränderungen im Markt, Reorganisationen im Unternehmen, Mergers and Acquisitions – es gibt vielfältige Anlässe, die Prozesse zu aktualisieren.

Nicht zuletzt gehört zu einem proaktiven Prozessmanagement, die künftige Entwicklung des Unternehmens, das Big Picture im Auge zu behalten und Optionen für mögliche Anpassungen in der Schublade zu haben. Der technologische Fortschritt – man denke an den rasanten Bedeutungsgewinn der Künstlichen Intelligenz –, mögliche Strategiewechsel und die fragile Weltlage können umgehende Reaktionen erfordern.

Ohne Zweifel gehört End-to-End-Prozessen die Zukunft. Sie zahlen unmittelbar auf die Effizienz ein, verbessern das Kundenerlebnis und erhöhen die Flexibilität. Damit stärken sie die Resilienz eines Unternehmens und wappnen es gegen Krisen und Paradigmenwechsel in den Märkten.

 

Redaktionelle Unterstützung: Bettina Dornberg & Christoph Berdi (die „Identitätsstifter“)