Wasserstoff, übrigens das kleinste Molekül und das häufigste Element im Universum, ist faszinierend: Als Energieträger wird Wasserstoff helfen, den Einsatz von fossilen Brennstoffen deutlich zu reduzieren, den Klimawandel einzudämmen und die CO2-Emissionen drastisch zu senken. Technologisch betrachtet kann Wasserstoff zudem das teuer und knapp gewordene Erdgas in einer Vielzahl von Einsatzszenarien eins zu eins substituieren.
Von solchen positiven Effekten ist die Welt allerdings noch weit entfernt. Global sind im Jahr 2020 noch fast 35 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent emittiert worden. Auch wenn dies – im Wesentlichen bedingt durch fast vollständigen Ausfall des Flugverkehrs während der Coronapandemie – circa eine Milliarde Tonnen weniger waren als im Jahr 2019, bewegen wir uns nach wie vor nicht schnell genug. Auch und vor allem in Deutschland nicht, wo im Jahr 2020 739 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen wurden. Damit liegt Deutschland im internationalen Vergleich weiterhin auf Platz 7 der Negativ-Weltrangliste.
Kein Wunder also, dass in den vergangenen beiden Jahren die Anstrengungen, um die ambitionierten Klimaziele einzuhalten und die CO2-Emissionen zu minimieren, verstärkt worden sind. In der politischen und wissenschaftlichen Diskussion hat sich richtigerweise die Absicht durchgesetzt, unser Energiesystem nicht nur zu defossilisieren, sondern auch zu diversifizieren. Neben den erneuerbaren Energien Solar, Wind und Wasser spielt in diesem Zusammenhang der sogenannte „grüne Wasserstoff“ eine zentrale Rolle.
Wasserstoff ist, chemisch betrachtet, per se umweltfreundlich. Ob er in Brennstoffzellen in Strom verwandelt oder in Gaskraftwerken verbrannt wird – übrig bleiben nur reines Wasser und Wärme, die sich wiederum vielfältig nutzen lässt. Wie die Umweltbilanz von Wasserstoff letztlich ausfällt, ist aber entscheidend davon abhängig, wie er erzeugt wird. Beim bedeutendsten Verfahren, der Elektrolyse, wird Wasser mithilfe von elektrischem Strom in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten. Käme dabei Strom aus fossilen Quellen wie Kohle zum Einsatz, wäre es mit der Umweltfreundlichkeit nicht weit her. Für eine im ökologischen Sinne nachhaltige Energieversorgung steht deshalb der grüne Wasserstoff, der ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird.
Somit sind Technologien, die zur Produktion, zum Transport und zur Verwertung des grünen Wasserstoffs erforderlich sind, wesentliche Bestandteile der Energiewende. Es besteht das Potential, dass sich in den kommenden Jahrzehnten ein weltweiter, lukrativer Markt entwickelt, zweifellos mit einer Größe von mehreren Billionen Euro. Daran können deutsche Unternehmen in vielfältiger Art und Weise partizipieren. Wer sich mit diesen Chancen beschäftigt, muss sich jedoch auch mit der Komplexität einer globalen Wertschöpfungskette auseinandersetzen. Denn: Die Möglichkeiten, Wasserstoff in Deutschland zu gewinnen, sind begrenzt.
Aus dem Sonnengürtel der Welt
Sicherlich, grüner Wasserstoff lässt sich in begrenztem Umfang auch hier vor Ort erzeugen, wenn die erneuerbaren Energien wie Wind und Solar weiter ausgebaut werden. Aber als Produktionsstandort für grünen Wasserstoff in großem Stil scheidet Deutschland aus; die Kapazitäten für Wind- und Sonnenenergie sind viel zu gering. Letztlich ist der elektrische Strom, der für die Produktion von Wasserstoff benötigt wird, in unseren Breiten im internationalen Vergleich noch zu teuer und macht somit einen großen, ja zu großen Teil der Gestehungskosten für Wasserstoff aus.
Effizient und kostengünstig lässt sich Wasserstoff hingegen im Sonnengürtel der Welt in den sogenannten MENA-Staaten, also im Mittleren Osten und in Nordafrika, sowie in sehr windreichen Regionen wie Patagonien oder Chile herstellen. Dort ist der Strom aus Solar- und Windparkanlagen preiswert und liegt unter zwei Eurocent pro Kilowattstunde, sodass die Energiekosten nicht mehr sonderlich ins Gewicht fallen. Im Grunde funktioniert der Markt so: Deutschland exportiert Produktionstechnologie und importiert, nach dem Motto „Shipping the Sunshine“, den Wasserstoff. Die Bundesregierung bemüht sich derzeit intensiv um entsprechende Abkommen.
In den Sonnenländern in Afrika und Vorderasien, wo die großen Gigawatt-Anlagen entstehen, rücken die Investitionskosten für die Wasserstoffproduktion in den Mittelpunkt des Interesses. An diesem Punkt setzt das Geschäftsmodell unseres Unternehmens an.
„Um es einmal deutlich zu sagen: Die gesamte internationale Wertschöpfungskette, so klar sie sich auch abzeichnen mag, steht noch nicht. Die Produktion in Sonnenregionen der Welt, der Aufbau von kleineren Wasserstoffanlagen hierzulande, die Transportkapazitäten und -infrastruktur, die notwendigen Lieferabkommen, die Einsatzszenarien für Unternehmen – all das ist jetzt erst in Arbeit.“, erläutert Dr. Wiebke Lüke.
„Vom Pott in die Welt“
Die WEW GmbH entwickelt und produziert alkalische Elektrolysestacks, also Zellstapel, für die sogenannte Wasserelektrolyse. Die Stacks bilden das Herz jeder Produktionsanlage für Wasserstoff und sind ihr teuerster Bestandteil. Unsere Strategie ist deshalb die Kostenführerschaft, die wir mit automatisierter Herstellung sowie mit einem innovativen Design erreichen.
Die Stacks von WEW sind für Transport und Logistik optimiert. Schließlich müssen die Produktionsanlagen für Wasserstoff zum Teil über die Weltmeere transportiert werden, bis sie an ihrem Aufstellungsort in Betrieb genommen werden können. Nicht umsonst lautet unser Motto: „Vom Pott in die Welt.“ Erste Demonstrationsprojekte im Bereich von ein bis zwei Megawatt planen wir für Sommer 2023. Zu unserem Kundenkreis zählen unter anderem Anlagenbauer und Systemintegratoren zum Beispiel aus dem deutschen Mittelstand, die in das Thema Wasserstoff investieren möchten.
Mit unseren Stacks „von der Stange“ können diese Unternehmen die Elektrolyseure leicht in ihre Anlagen integrieren und in die Produktionsländer liefern, in denen die großen Elektrolyseparks entstehen. So möchten wir einen Beitrag leisten, um den Markt zu öffnen und weiteren Teilnehmern den Zugang zu ermöglichen.
Hohes Potenzial für deutsche Unternehmen
Mit ihrer hohen Technologie- und Ingenieurskompetenz bieten sich der deutschen Wirtschaft vielfältige Chancen, an der weitreichenden Wertschöpfungskette für Wasserstoff zu partizipieren. Neben der Herstellung der Produktionsanlagen oder einzelner Komponenten ist der Transport des Wasserstoffs über Kontinente und Ländergrenzen hinweg ein wichtiges Segment. Auch Power-to-X-Technologien, bei denen erneuerbare Energien in höherwertige Energieträger wie Methanol, synthetisches Erdgas, E-Fuels oder Ammoniak umgewandelt werden, haben großes Potenzial. Der erste Schritt bei Power-to-X ist immer, Wasserstoff zu erzeugen. Beispielsweise wird Ammoniak in vielen Fällen direkt neben den Produktionsanlagen für Wasserstoff hergestellt. Ammoniak wird in aller Welt für Düngemittel benötigt und lässt sich viel leichter transportieren als der gasförmige Wasserstoff.
Nicht zuletzt geht es auch darum, wie Unternehmen Wasserstoff zur Energiegewinnung und zum Klimaschutz in ihren Wirtschaftszweigen effektiv nutzen können. Im Transport- und Mobilitätssektor, Stichwort Brennstoffzellen, wird Wasserstoff eine Rolle spielen. Große Nutzer finden sich zudem in energieintensiven Industrien wie Chemie und Stahl. Außerdem stellt sich die Frage, ob Gebäude via Wasserstoff mit grüner Energie versorgt werden können. Letztlich bildet auch die Infrastruktur, die notwendig ist, um Wasserstoff zu nutzen, ein wichtiges Marktsegment. Sie fehlt in Deutschland noch weitgehend. Jedoch ließe sich das vorhandene Pipelinesystem für Erdgas auch für Wasserstoff einsetzen. Notwendig wären dafür nur einige Umrüstungen an den Einlass- und Auslasspunkten. Die LNG-Terminals, die jetzt für Flüssiggas aus Übersee gebaut werden, sind mit ein wenig Umrüstung auch für Schiffe geeignet, die zukünftig mit grünem Wasserstoff erzeugten Ammoniak zu uns überführen. Aber das alles braucht Zeit.
Keine kurzfristige Lösung
Zu glauben, mit Wasserstoff ließe sich die aktuelle Energiekrise, mit der die Wirtschaft und die Bürger konfrontiert sind, kurzfristig, vielleicht noch in diesem Winter, lösen, wäre illusorisch. Um es einmal deutlich zu sagen: Die gesamte internationale Wertschöpfungskette, so klar sie sich auch abzeichnen mag, steht noch nicht. Die Produktion in Sonnenregionen der Welt, der Aufbau von kleineren Wasserstoffanlagen hierzulande, die Transportkapazitäten und -infrastruktur, die notwendigen Lieferabkommen, die Einsatzszenarien für Unternehmen – all das ist jetzt erst in Arbeit. So darf die nun herrschende Euphorie für Wasserstoff nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland leichtfertig mit dem Risiko umgegangen ist, das aus der Abhängigkeit von den importierten fossilen Energieträgern resultiert. Gesamtgesellschaftlich haben wir viel zu lange darauf gesetzt, dass beispielsweise Erdgas in großen Mengen und zu günstigen Preisen verfügbar bleibt, statt Alternativen aufzubauen und in die Wasserstoff-Technologie zu investieren.
Immerhin wird der Paradigmenwechsel in der Energieversorgung jetzt mit Nachdruck vorangetrieben: Endlich hat sich in der deutschen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft die Erkenntnis durchgesetzt, dass grüner Wasserstoff für die Dekarbonisierung der Wirtschaft und um die Klimaziele zu erreichen unabdingbar sein wird. Die Nationale Wasserstoffstrategie aus dem Jahr 2020 adressiert das komplette Wertschöpfungsspektrum der Technologie mit einem Fördermittelumfang in Höhe von neun Milliarden Euro bis zum Jahr 2030. Dass die Bundesregierung die Wasserstofftechnologie nicht nur politisch, sondern auch finanziell unterstützt, ist ein wirksames Signal.
So herrscht im Markt für Technologien und Services für das Thema Wasserstoff jetzt endlich die notwendige Dynamik. Unternehmen sollten den Rückenwind nutzen, um sich im umkämpften, globalen Wettbewerb zu positionieren – und grünen Wasserstoff als umweltfreundliche wie vergleichsweise kostengünstige Alternative für ihre eigene Energieversorgung evaluieren.
Redaktionelle Unterstützung: Bettina Dornberg & Christoph Berdi (die „Identitätsstifter“)
STARTUP MEETS TOM - WEW HYDROGEN
Mit dem Gründer-Trio Dr. Wiebke Lüke, Dr. Gregor Polcyn und Dr. Lukas Lüke spricht Tom darüber, wie das Dortmunder Startup mit kosteneffizienten Stacks Wasserstoff in die industrielle Anwendung bringt.
von Dr. Wiebke Lüke
Oct 26, 2022 10:44:19 AM