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Fachkräftemangel und Human Resources

Geschrieben von Lukas Bauer | Aug 17, 2022 12:49:47 PM

Mit der Gen Z rückt eine Generation in die Unternehmen nach, die mit der Vielfalt des Internets und seinen zahllosen Möglichkeiten aufgewachsen ist. Diese Alterskohorte, wir sprechen von den 15- bis 25-jährigen, ist seit jeher mit der digital-vernetzten Welt vertraut. Sie hat früh gelernt, Unmengen an digitalen Informationen und Services zu filtern und für sich zu nutzen. Die Gen Z bringt eine digitale Souveränität mit, die manches Unternehmen noch schmerzlich vermissen lässt.

Zudem ist diese Generation politisch engagiert und verfügt über feine Antennen für die Diskurse zum ökonomischen, ökologischen und sozialen Wandel. Kein Wunder: Wenn über die zentralen Zukunftsthemen diskutiert wird, dann ist immer ihre Zukunft gemeint. Auch unter diesem Aspekt ist die Gen Z ein Gewinn für die Wirtschaft, die mit parallelen Krisen wie Klimawandel, Coronapandemie und Krieg umgehen muss und in einem unberechenbaren Umfeld navigiert.

Es gehört zur Biografie der Gen Z, mit verwirrend vielen Optionen konstruktiv umzugehen. Somit kann die Gen Z – trotz ihrer vergleichsweise kurzen Zeit auf dem Arbeitsmarkt – einen relevanten Beitrag dazu leisten, dass Unternehmen von innen heraus wendig und anpassungsfähig auf die permanente Veränderung reagieren können.

Komplexes mindset

Zum Gesamtbild der Gen Z gehört jedoch auch, dass sie manchmal – oberflächlich betrachtet – orientierungslos erscheint. Sie steckt vielmehr voller vermeintlicher Widersprüche. So liebt die Gen Z ihre Freiheit und möchte sich Optionen möglichst lange offenhalten. Gleichzeitig legt sie ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Sicherheit und Struktur an den Tag.

Die jungen Menschen wollen genau wissen, welche Ergebnisse von ihnen erwartet werden und was in einer Organisation als „richtig“ oder „falsch“ gilt. Ein erfüllender Job mit Sinn und Purpose ist wichtig. Die Gen Z möchte in den Unternehmen von Beginn an mitgestalten. Ihre Einsatzbereitschaft reicht aber nicht so weit, dass sie die Erwerbsarbeit über alles andere stellen würde. Sie zieht klare Grenzen zwischen Beruf und Privatleben – und zwar mit einem Schwerpunkt auf Familie, Freizeit und Freunde.

Dass sich manche Unternehmen fragen, wie sie aus dieser Generation schlau werden sollen, ist durchaus nachvollziehbar. Doch sie werden sich mit deren komplexem Mindset auseinandersetzen müssen, denn die Gen Z stellt den Nachwuchs für die kommenden anderthalb Jahrzehnte.

Die Kultur hinterfragen

Glücklicherweise gibt es einen Schlüssel zum Verständnis der Gen Z: ihre Werte. Führt man die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zur Gen Z zusammen, dann zeigt sich, dass sie großen Wert legt auf Vielfalt, Gesundheit, Freiheit, Nachhaltigkeit, Gleichberechtigung, Sicherheit, Freundschaft und Familie.

Folgerichtig interpretiert die Gen Z den Arbeitsplatz als Ort der Sozialisation, an dem sie einen wesentlichen – und eben möglichst gesunden – Teil des eigenen Lebens verbringt. Sie möchte ihre Fähigkeiten sinnvoll einsetzen. Persönliche Entwicklung, Selbstwirksamkeit und Selbsterfahrung haben Priorität.

Natürlich lässt sich dieses Werteset nicht pauschal einer gesamten Generation überstülpen. Jeder Mensch ist anders und folgt seiner individuellen Motivation. Als Anstoß für die notwendige Veränderung in den Unternehmen ist die Wertestruktur der Gen Z jedoch geeignet, Zukunftsfragen an das eigene Unternehmen zu richten:

  • Was bedeutet dieser Wertewandel für die eigene Organisation?
  • Wie verändern sich Arbeit, Kommunikation und Teams?
  • Wie ausgeprägt bleiben Hierarchien?
  • Wie bedeutsam sind Selbstmanagement und Eigenverantwortung?
  • Wie sollen Maßnahmen entlang des Employee Lifecycle gestaltet werden?
  • Wie definieren Unternehmen ihren Purpose?

Mit Blick auf die Gen Z besteht die Herausforderung darin, eine Balance zwischen Struktur und Freiheit zu etablieren. Die neuen Mitarbeiter fordern Raum und Vertrauen, um persönlich wachsen zu können, aber auch Strukturen, in denen sie Halt und Orientierung finden. Dabei steht die Gen Z unter dem Eindruck, keine Zeit zu haben. Lernen, gestalten, Spaß haben, verwandeln – es ist für sie ein und derselbe Prozess.

Attraktiv mit Worker Centricity

Wie aber lässt sich die Gen Z konkret gewinnen, integrieren und binden? Ein Zitat des Unternehmers Richard Branson weist den Weg: „Kümmere dich um deine Mitarbeiter und sie kümmern sich um dein Geschäft. So einfach ist das. Gesunde, engagierte Mitarbeiter sind dein größter Wettbewerbsvorteil.“

Treffender lässt sich kaum der Trend beschreiben, den wir am Markt beobachten können: Stichwort „Worker Centricity“. Unternehmen erkennen immer mehr – und Studien belegen das –, wie sehr die eigene Wettbewerbsfähigkeit und Kundenzufriedenheit mit einer Unternehmenskultur korreliert, die den Fokus darauflegt, sich auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter einzulassen.

Folglich beginnt der Umgang mit der Generation Z bereits beim Recruiting. Auf dem Arbeitsmarkt hat sich sozusagen ein Paradigmenwechsel vollzogen: Denn im Prinzip bewerben sich die Unternehmen mittels „Active Sourcing“ bei ihren künftigen Mitarbeitern und nicht umgekehrt. Im Idealfall präsentieren sie sich dort, wo die Gen Z zu finden ist – online und mobile. Die Gen Z bevorzugt eine direkte Interaktion und klare, einfache Entscheidungswege.



Abbildung: Besonderheiten der Generation Z und wie Führungskräfte darauf reagieren können.
Grafikerstellung: Allfoye Managementberatung GmbH mit Unterstützung durch Veit Quandt.

Fürs Onboarding im Unternehmen bieten sich Mentorenprogramme an, um die Neulinge mit der Organisation, ihren Gepflogenheiten und Möglichkeiten vertraut zu machen. Der Austausch zwischen langjährigen Mitarbeitern und Einsteigern in generationsübergreifenden Teams ist für beide Seiten gewinnbringend. Zudem sollten Unternehmen die Gen Z früh mit möglichst vielen Führungskräften ins Gespräch bringen – und dabei die Hierarchie nicht allzu deutlich betonen. 

Zwangloses Teambuilding vom gemeinsamen Kaffeetrinken über eine Politik der offenen Tür bis hin zu externen Kennenlerntreffen und Workshops gehören ebenso zum Repertoire einer Personalarbeit, die gezielt den Bedürfnissen der Gen Z Rechnung trägt.

Insbesondere erwartet die Generation Z eine partizipative Führung. Sie schätzt es, wenn Aufgaben und Projekte gemeinsam vorbereitet werden. Die Gen Z mag einfühlsames, kontinuierliches Feedback. Und sie zeigt keine Scheu, gleichberechtigt über alle Ebenen hinweg zu kommunizieren. Ohnehin möchte sie von Beginn an auch in strategische Change- und Kulturprojekte einbezogen werden. Für die Gen Z ist diese Teilhabe essenziell, sie engagiert sich ohnehin in gesellschaftlichen Zukunftsthemen und ist mit sozialen Bewegungen wie #FridaysForFuture verbunden. Für Unternehmen liegt darin ein immenses Momentum, um für die verschiedenen Stakeholder relevant zu bleiben.

Wissensbrüche vermeiden

Der demografische Wandel in den Unternehmen verlangt nach einem organisierten Wissensmanagement. Ältere Mitarbeiter nehmen ihren Erfahrungsschatz mit in den Ruhestand, der für die Unternehmen und die Berufseinsteiger unersetzlich ist. Wege für einen Transfer des Wissens über die Generationen hinweg zu finden, ist ohnehin fürs Unternehmen unerlässlich. Offene Gesprächsrunden und Wikis bieten gute Ansätze, um Wissen in einer Organisation zu halten. Die Gen Z mit ihrem Hang, Arbeitgeber öfter zu wechseln, macht diese Aufgabe noch dringlicher. Unternehmen tun gut daran, ihr Wissensmanagement auf eine steigende Fluktuation in der Belegschaft auszurichten.

Retention Management: Die Gen Z halten

Eine Aufgabe, die mit der Gen Z immer mehr in den Fokus von Unternehmen rückt, ist ein effektives Retention Management. Junge Leute treffen auf einen Arbeitsmarkt, der es ihnen erlaubt, wählerisch zu sein. Die Bereitschaft, negative Erfahrungen am Arbeitsplatz hinzunehmen, ist entsprechend geringer ausgeprägt. Daher gilt es, entlang aller Phasen des Employee Lifecycles beispielsweise flexible Arbeits- und Stellenkonzepte zu etablieren. Konkret: Die Gen Z liebt es, den Kontext und den Modus ihrer Arbeit zu wechseln. So werden es viele Mitglieder dieser Generation zu schätzen wissen, wenn sie über verschiedene Standorte und Ländergesellschaften rotieren können. Gleichermaßen sind sie offen für interne Projektbörsen, die an die Funktionsweise der eigentlich von Freelancern angetriebenen Gig-Economy angelehnt sind. Über solche internen Marktplätze können Mitarbeiter immer wieder in jene Unternehmensbereiche eintauchen, in denen ihre Talente und Fähigkeiten besonders gefordert sind.

Des Weiteren ist die Gen Z innerlich immer auf dem Sprung. FOMO – die „Fear Of Missing Out“, die Angst, etwas zu verpassen – ist als Phänomen dieser Generation nicht wegzudiskutieren. Und eine überdurchschnittliche Bereitschaft, selbst zufriedenstellende Jobs aus reiner Neugier aufzugeben, auch nicht.

Kurzum: Mit den bereits genannten Kompetenzen und dem Veränderungswillen der Generation Z bietet sich die Chance, die Bedeutung von HR-Abteilungen nochmals neu und umfassender zu bewerten. Denn die Rolle der HR verstanden als strategischer Business Partner sichert letztlich den langfristigen Unternehmenserfolg. Damit avanciert weitsichtiges Retention Management, das nicht nur junge Fachkräfte zu binden vermag, zu einer zentralen Schlüsselrolle für Mitarbeiterbindung insgesamt auf dem zunehmend umkämpften Arbeitsmarkt um Fachkräfte.

Mit anderen Worten: Wohlüberlegte Maßnahmen bewirken nur wenig, wenn Unternehmen die entsprechende Haltung fehlt, an der sich die Qualität eines Arbeitgebers für die Gen Z entscheidet. In diesem Punkt sind junge Leute unerbittlich. Sie verfügen über einen geschulten Bullshit-Filter. „Employer Washing“ wird sofort entlarvt. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich die Gen Z tendenziell eher von Familienunternehmen angezogen fühlt. Viele haben ihre Mission definiert, leben eine werteorientierte Unternehmenskultur und denken generationenübergreifend. Das kommt bei der Generation Z gut an – und deshalb hat der Mittelstand auf dem Arbeitsmarkt einen Startvorteil gegenüber Konzernen und börsennotierten Unternehmen.

Redaktionelle Unterstützung: Bettina Dornberg & Christoph Berdi (die „Identitätsstifter“)