In 4 Schritten zur Wesentlichkeitsanalyse - Ein Artikel von Marcel Agena

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In 4 Schritten zur Wesentlichkeitsanalyse

Die Startrampe für Ihre Transformation

2024 ist das erste Berichtsjahr für die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der Europäischen Union. Viele größere Unternehmen im deutschen Mittelstand suchen zwischen Pflicht und Kür der Berichterstattung und der dazu benötigten Wesentlichkeitsanalyse ihren individuellen Weg, wie sie diese strukturieren und gestalten können. Marcel Agena plädiert dafür, das Momentum zu nutzen und von Beginn an strategische Grundsatzfragen zu adressieren.

May 7, 2024 12:42:11 PM

In 4 Schritten zur Wesentlichkeitsanalyse
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Wie ein Mühlstein am Hals mag die nicht-finanzielle Berichterstattung nach der CSRD-Richtlinie auf viele Unternehmen wirken. Und es stimmt ja auch: Die personellen und finanziellen Ressourcen, die für die Reportingpflichten eingesetzt werden müssen, fehlen in diesen Zeiten von Polykrise und Rezession vielleicht an anderer Stelle. Gleichzeitig führt kein Weg am CSRD-Reporting vorbei. Rund 15.000 Unternehmen sind allein in Deutschland direkt betroffen und müssen, je nach Größe gestaffelt, für dieses oder für die Folgejahre erstmals berichten. Warum nicht das Beste daraus machen? Die Wesentlichkeitsanalyse, die methodisch am Anfang des nicht-finanziellen Reportings steht, eignet sich als Startrampe für die Nachhaltigkeitstransformation und als strategischer Wegweiser. Auf mittlere Sicht wird sie für die Planung genauso bedeutsam wie die Finanzberichterstattung.

Das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit

Aber der Reihe nach. Springen wir kurz zurück ins Jahr 2018. Die Non-Financial Reporting-Directive (NFRD) der EU verpflichtet insbesondere Großunternehmen, in Deutschland betrifft sie gerade einmal 500, einmal im Jahr über Nachhaltigkeitsthemen zu berichten. Vereinfacht gesagt, sollen Vor- und Rückschritte in der ESG-Systematik – also Environmental, Social und Governance – transparent dargestellt werden. Vor allem in einer Kernfrage zur Nachhaltigkeit wird die Messlatte jedoch niedrig gelegt: Was ist wesentlich? Als „wesentlich“ gelten jene Faktoren, die

  • sich erstens signifikant oder zumindest spürbar auf Verlauf oder Ergebnis der Geschäfte auswirken
  • und zweitens vom betroffenen Unternehmen gestaltend beeinflusst werden können.

Nur wenn beide Bedingungen erfüllt sind, greift die Berichterstattungspflicht nach der NFRD in vollem Umfang. Daraus ergibt sich ein grobmaschiges Raster, in dem beispielsweise ein Thema wie die Umweltverschmutzung mitunter unberücksichtigt bleibt. Es ist natürlich unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten immens relevant, wirkt sich aber häufig überhaupt nicht auf das Geschäftsergebnis aus.

Die neue Richtlinie gemäß CSRD ist deutlich strenger. Sie zielt auf eine höhere Aussagekraft und soll gleichzeitig konsequentere Nachhaltigkeitsbestrebungen der Unternehmen initiieren. Deshalb wird mit der CSRD die „doppelte Wesentlichkeit“ oder – die Begriffe werden synonym benutzt – die „doppelte Materialität“ als neue Logik eingeführt: Sobald nur eines der beiden folgenden Kriterien greift, muss umfassend berichtet werden:

 

Wesentlichkeitsanalyse - Grafik 1Die ,,Inside-Out"- & ,,Outside-In"- Perspektive der Wesentlichkeit
Grafikerstellung: Allfoye Managementberatung GmbH mit Unterstützung durch Veit Quandt

 

Diese Vorgehensweise der Wesentlichkeitsanalyse hat es in sich; sie ist anspruchsvoll in Bezug auf die benötigten Ressourcen und die geeigneten Prozesse. Börsennotierte Unternehmen, die bereits in der Vergangenheit berichterstattungspflichtig waren, verfügen über belastbare Strukturen. Größere mittelständische Unternehmen, die sich erst jetzt damit auseinandersetzen müssen, spüren hingegen einen gewissen Druck, selbst wenn sie erst ab 2026 berichten. Vielfach bleibt weniger Zeit als gedacht: Die verschiedenen Schritte im CSRD-Kontext summieren sich, insbesondere im Vorlauf zum ersten Bericht. Analyse, Interpretation der Ergebnisse, Prozesseinführung, Datensammlung und Konsolidierung können durchaus zwölf Monate in Anspruch nehmen.

Auditsichere Wesentlichkeitsanalyse

Es lohnt sich daher, die Wesentlichkeitsanalyse von Beginn an mit großer Sorgfalt zu behandeln. Je fundierter sie erfolgt, desto effizienter gestalten sich die folgenden Phasen des Reportings. Auch für die unausweichliche externe Prüfung der Ergebnisse wird eine verlässliche Grundlage gelegt. Von Beginn an sieht die CSRD eine einfache Auditierung vor („Limited Assurance“), die die innere Logik und Plausibilität des Nachhaltigkeitsberichts bewertet. Indes ist es erklärte Absicht der EU, ab dem Jahr 2028 eine präzisere Auditierung („Reasonable Assurance“) in Kraft zu setzen.

Um den aktuellen wie künftigen Ansprüchen sowie den strategischen Potenzialen des CSRD-Reportings gerecht zu werden, hat sich das folgende Projektdesign als zielführend erwiesen:

 

Vier Schritte der Wesentlichkeitsanalyse4-schrittiges Projektdesign zur Wesentlichkeitsanalyse
Grafikerstellung: Allfoye Managementberatung GmbH mit Unterstützung durch Veit Quandt

 

Lernkurve für die gesamte organisation

Obwohl die Vorgaben in der CSRD viel enger gefasst sind als in der NFRD, bleibt den Unternehmen ein gewisser Spielraum bei der organisatorischen Umsetzung. Natürlich kann ein Unternehmen eine Reihe der mit der Analyse verbundenen Aufgaben outsourcen und seinen eigenen Einsatz auf ein notwendiges Minimum beschränken. Ob man Unternehmensberatern und den unabdingbar beteiligten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auf Dauer die Hauptlast überlassen sollte, ist jedoch fraglich. Mit Blick auf die Handlungsoptionen und Zukunftspotenziale erscheint es vielmehr sinnvoll, die Aufgabe als Lernkurve für die eigene Organisation zu gestalten. Vor allem gilt dies für Unternehmen, die sich erst jetzt grundlegend mit ihren Nachhaltigkeitsthemen auseinandersetzen und die CSRD noch nicht als Chance, sondern als Disruption begreifen.

Der Ertrag an strategischen und kulturellen Impulsen ist ungleich höher, wenn die eigenen Mitarbeitenden die Kompetenz entwickeln, die CSRD in späteren Jahren weitgehend eigenständig umzusetzen. Resultat der gemeinsamen Arbeit an der Wesentlichkeitsanalyse ist erfahrungsgemäß ein übergreifendes Verständnis für die Nachhaltigkeitsthemen des Unternehmens: Meinen alle dasselbe? Sind die einschlägigen Begrifflichkeiten eindeutig definiert? Welche Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Faktoren sind relevant? Welche Stellschrauben existieren, um Fortschritte zu erzielen? Wer sich mit solchen Fragen eingehend beschäftigt, gelangt schnell zu strategischen Schlussfolgerungen. Etwa in puncto Emissionsmanagement, Energieeinkauf und -erzeugung, Resilienz in den Lieferketten, Kreislaufwirtschaft und Attraktivität als Arbeitgeber. Nicht zuletzt lernt die Organisation, inklusiv über alle internen Funktionen hinweg sowie mit ihren Partnern in der Wertschöpfungskette zusammenzuarbeiten.

So lässt sich mit der Wesentlichkeitsanalyse ein Paradigmenwechsel einläuten: weg von einzelnen oder in Gremien zusammengefassten Nachhaltigkeitsexpert:innen, hin zu einem im Unternehmen verteilten Netz aus Kompetenzträger:innen. Ein wertvoller Entwicklungsschritt. Auch wenn die Veränderungen in den Märkten noch nicht deutlich sichtbar sind, so befassen sich Unternehmen in vielen Ländern bereits intensiv mit dem Themenfeld Nachhaltigkeit. Wer diese Entwicklung negiert, gerät im Wettbewerb der Zukunft unter Druck. Anders gesagt: Zögerliche Unternehmen laufen Gefahr, dass sie unter hohen Kosten und mit großem Stress in der Organisation die Versäumnisse von heute nacharbeiten müssen. Die Wesentlichkeitsanalyse ist somit eine bestens geeignete Startrampe für die unumgängliche Transformation zum nachhaltigen Unternehmen.

 

Redaktionelle Unterstützung: Bettina Dornberg & Christoph Berdi (die „Identitätsstifter“)

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