Nachhaltigkeitsmanager - Ein Artikel von Britta Seidl-Bowe.

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Nachhaltigkeitsmanager

Change-Agenten für die grüne Transformation

Das Handlungsfeld Nachhaltigkeit verlangt den Unternehmen viel ab. Aktuell wenden sie sich den Berichterstattungspflichten der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) zu, während sie gleichzeitig den Paradigmenwechsel zu einer grünen Wirtschaft antizipieren müssen. Dem Nachhaltigkeitsmanager kommt in diesem Change eine Schlüsselfunktion zu. Britta Seidl-Bowe, Managerin bei der Allfoye Managementberatung, schreibt für die Themenschmiede über Besetzung, Kompetenzen und Chancen einer Position, die sich im besten Fall selbst überflüssig macht. Und mehr noch: Mit Romina Dietrich, Group Manager Sustainability der Heitkamp & Thumann Group, stellt sie eine Nachhaltigkeitsmanagerin vor, die die operativen und strategischen Herausforderungen erfolgreich meistert.

Feb 6, 2025 4:40:39 PM

Nachhaltigkeitsmanager
11:22
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Keine Frage, Nachhaltigkeit hat das Wollsocken-Image von einst lange überwunden. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass der Weg zu einem zukunftsfähigen Geschäftsmodell nur über Nachhaltigkeit führt. Parallel dazu wächst das Bewusstsein für die Bedeutung der ESG-Themen, also Environmental, Social und Governance, ohne die ein effektives Risiko- respektive Resilienzmanagement schlicht nicht mehr denkbar ist. Sieben der zehn größten, langfristigen Risiken, so das World Economic Forum (WEF), betreffen Nachhaltigkeitsaspekte wie extreme Wettereignisse, den Verlust an Biodiversität oder knappe natürliche Ressourcen.

Vor diesem Hintergrund ist es ausgesprochen herausfordernd, ein effektives Nachhaltigkeitsmanagement aufzubauen. Der Arbeitsmarkt ist wie leergefegt. Händeringend werden Nachhaltigkeitsmanager gesucht, die als Leader, Expert:innen und Change Manager zugleich agieren, um den vielschichtigen Wandel zu organisieren. Ihr Arbeitsmodus ist idealerweise partnerschaftlich, ihre Kommunikation empathisch und ihr Wesen einnehmend. Sie reflektieren ihren Führungsstil und möchten sich nicht nur beruflich, sondern persönlich weiterentwickeln.

Somit sind auf dieser Position Fähigkeiten gefragt, die zunächst überraschend wenig mit konkretem Fachwissen zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz, Stoffkreisläufen und Abfallmanagement zu tun haben. Ein Interesse an Umweltthemen und eine hohe Lernbereitschaft sind sicher Voraussetzung, aber die Erfolgsfaktoren sind insbesondere im Bereich der Management-Skills zu verorten. Unternehmen sollten nach Persönlichkeiten Ausschau halten, die kritisch, problembewusst und systemorientiert denken und sich von ebenso komplexen Aufgaben und unklaren Entscheidungssituationen nicht aus dem Takt bringen lassen.

Es handelt sich also um ein ambitioniertes Profil – eine interessante Studie dazu findet sich beim Liz Mohn Institut –, aber der hohe Anspruch an diese Position ergibt angesichts der hohen Anforderungen viel Sinn: Nachhaltigkeitsmanager haben eine Querschnittsfunktion. Mit Überzeugungskraft und diplomatischem Geschick müssen sie ihre Themen im Unternehmen positionieren, ihnen Gewicht und Bedeutung verschaffen. Das gelingt nur kommunikationsstarken Menschen, die allen wesentlichen internen Stakeholdern und der Geschäftsführung auf Augenhöhe begegnen können. Ob Einkauf, Produktion, Vertrieb, Controlling oder HR – wenn sie nicht mitziehen, stehen Nachhaltigkeitsmanager auf verlorenem Posten.

Doch wo findet man solche Macher:innen, die das gesamte Unternehmen für den Themenkreis Sustainability mobilisieren und gleichzeitig strategische Impulse setzen können? Mit einiger Wahrscheinlichkeit in der eigenen Organisation. Es wäre ein seltener Glücksfall, wenn jemand frisch von der Universität oder Business School kommend diese Aufgabe ausfüllen könnte. Selbst erfahrene Führungskräfte von außen dürften wertvolle Zeit verlieren, um das Unternehmen zu verstehen, sich gut zu vernetzen und das notwendige Vertrauen zu gewinnen.

Der erste Blick bei der Personalauswahl sollte sich deshalb immer nach innen richten. Anders als noch vor einigen Jahren finden sich geeignete Kandidat:innen heute weniger im Marketing oder in der Kommunikation, sondern oft im Qualitätsmanagement oder im Controlling. Schließlich gilt: Nachhaltigkeit drückt sich in Zahlen aus, muss messbar sein, hat einen Preis und einen Wert.

Wer ein Unternehmen und seine Kultur kennt sowie im Umgang mit anderen Führungskräften und mit der Geschäftsführung Erfahrung hat, verfügt über einen klaren Startvorteil. Sie oder er kann leichter den notwendigen Change anstoßen, interne Netzwerkstrukturen aufbauen und die Organisation für das Zukunftsthema Nachhaltigkeit motivieren. Romina Dietrich, Group Managerin Sustainability der Heitkamp & Thumann Group*, ist das gelungen. Sie war zunächst im Konzerncontrolling tätig. Als ihr deutlich wurde, dass der Job der Nachhaltigkeitsmanagerin immer zahlen- und datengetriebener wird, ist die BWLerin initiativ auf die Geschäftsführung zugegangen – und hat überzeugt.

 

Nachhaltigkeitsmanager: Change-Agenten für die grüne Transformation. Ein Artikel von Britta Seidl-Bowe.

Abbildung: Chancen einer nachhaltigkeitsorientierten Ausrichtung. Nachhaltigkeit ist längst zu einem umfangreichen, strategischen Entwicklungsfeld für mittelständische Unternehmen avanciert.

Nachhaltigkeitsmanagement bei der Heitkamp & Thumann Group

Mit einem fünfköpfigen Kernteam, dem die Sustainability Manager der verschiedenen Divisionen von Heitkamp & Thumann angehören, organisierte Romina Dietrich zunächst das CSRD-Reporting der Gruppe. Viele Parameter sind noch vage, und so bedeutet dies nichts anderes, als immer wieder Neuland zu betreten. Vor allem gilt es, eine arbeitsfähige Nachhaltigkeitsorganisation zu schaffen und Sustainability als Querschnitts- und Zukunftsthema in der gesamten Gruppe zu etablieren. Ohne Teamwork ist das undenkbar, wie Romina Dietrich berichtet:

Die gute Zusammenarbeit in unserem starken Kernteam und mit den Kolleg:innen an den Standorten ist essenziell, um die notwendigen Strukturen und Prozesse für das Nachhaltigkeitsreporting in den Divisionen sowie in Europa, in den USA und in Asien zu schaffen. Dazu braucht es unsererseits viel Fingerspitzengefühl für die kulturellen Unterschiede und die verschiedenen Reifegrade beim Thema Sustainability. Wirklich bemerkenswert ist, wie intensiv die Geschäftsführung den gesamten Prozess begleitet und welche Ressourcen sie dafür freigibt.“

Der Heitkamp & Thumann Group geht es derzeit wie vielen anderen Unternehmen auch. Die Unternehmensgruppe durchläuft das CSRD-Reporting zum ersten Mal und muss noch mit vielen Unsicherheiten im Prozedere umgehen. Die Wesentlichkeitsanalyse als erster Schritt zum CSRD-Reporting bildet für das weitere Vorgehen eine belastbare Basis. Mittlerweile verfügt das Unternehmen über eine Softwarelösung, mit der sich die Daten leichter sammeln und auswerten lassen. Romina Dietrich:

„Wir legen in diesem Kontext großen Wert auf Schulungen und Trainings. Schließlich benötigen wir ein einheitliches Verständnis zum neuen Jahresabschlussprozess, in den nun auch Mitarbeitende mit geringerer Affinität zu Controlling-Themen eingebunden sind. Meine Hauptaufgaben derzeit sind: Die Maßnahmen priorisieren, Kommunikation in alle Richtungen, den Überblick behalten und den folgenden Strategieprozess planen. Bei der Heitkamp & Thumann Group wollen wir nicht nur das Notwendige erledigen, sondern gründlich arbeiten und ambitioniert nach vorne blicken. Die Gruppe nimmt die Klimaschutzziele des Pariser Abkommens aus dem Jahr 2015 und das 1,5-Grad-Ziel sehr ernst und hat sich bereits in Teilen der Organisation auf sogenannte Science-Based Targets (SBTi) committed.“

Was mich an Nachhaltigkeitsmanagern wie Romina Dietrich beeindruckt: Sie mobilisieren die Organisation, erzeugen einen positiven Sound der Veränderung und kommunizieren mit der Geschäftsführung auf Augenhöhe. Und sie halten, auch das zeigt die Heitkamp & Thumann Group exemplarisch, das Unternehmen beim Umgang mit Sustainability auf Linie: Dafür zu sorgen, dass die operative Praxis und das Berichtswesen ein- und dieselbe Wirklichkeit spiegeln, ist für einen strategischen Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit unabdingbar.

Nachhaltigkeitsmanager – mehr als ein Nebenjob

Zur Wahrheit des Berufsbildes gehört: Wenn Unternehmen die Position nicht sorgfältig aufsetzen und mit genügend Ressourcen ausstatten, sind Nachhaltigkeitsmanager angesichts der dynamischen Entwicklungen schnell überfordert. Es ist dringend davon abzuraten, die Aufgabe on-top auf das Arbeitspensum einer Führungskraft zu packen, so geeignet sie für den Job auch sein mag. Wenn sie schon nicht von anderen Pflichten entbunden wird, benötigt sie zumindest Unterstützung, beispielswiese durch eine qualifizierte Assistentenstelle oder ein kleines Team. Nachhaltigkeitsmanagement ist kein Nebenjob.

Derzeit befinden sich insbesondere im Mittelstand viele Unternehmen in einer steilen Lernkurve. Manche sind etwas spät dran, um sich das Fachwissen anzueignen, Strukturen und Systeme anzupassen, die Prozesse zu organisieren und die strategische Linie zu skizzieren. In solchen Situationen mag die Versuchung groß sein, dieses Handlungsfeld langfristig an externe Berater:innen outzusourcen. Doch dafür ist der gesamte Komplex rund um die Nachhaltigkeit zu bedeutend für die Wettbewerbsfähigkeit von morgen.

Wer in der eigenen Organisation keine optimale Lösung findet, ist oft gut damit beraten, geeignete Mitarbeiter:innen „on the Job“ für diese Position zu qualifizieren. Den Neuankömmlingen können externe Berater:innen zur Seite gestellt werden, die über einen gewissen Zeitraum die Wissens-, Kompetenz- und Ressourcenlücken auffüllen. Unser Selbstverständnis ist übrigens, dass wir uns als Beraterinnen und Berater im Hintergrund halten. Wir möchten vor allem die Position der internen Nachhaltigkeitsmanager stärken und ihnen helfen, in der Organisation Fuß zu fassen. Ein dynamischer Wandel kann nur von innen entstehen. Und auch die Integration der Nachhaltigkeitsaspekte in allen Facetten des wirtschaftlichen Handelns muss im Unternehmen selbst angestoßen werden.

Fazit: Entwicklung zu Nachhaltigkeitsstrateg:innen

Nachhaltigkeit ist längst kein Randthema mehr, sondern zentraler Treiber für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Angesichts hoher regulatorischer Hürden wie der CSRD und globaler Herausforderungen wie Klimawandel und Ressourcenknappheit sind gute Nachhaltigkeitsmanager als Change-Agenten unverzichtbar. Sie verknüpfen strategisches Denken mit operativer Umsetzung und stellen sicher, dass die Nachhaltigkeitsziele nicht nur formuliert, sondern auch erreicht werden. Doch diese Rolle ist mehr als ein Job – sie erfordert Empathie, Kommunikationsstärke und die Fähigkeit, in komplexen Systemen zu agieren. Unternehmen tun gut daran, geeignete Talente innerhalb der Organisation zu fördern und mit ausreichenden Ressourcen auszustatten.

Das Berufsbild der Nachhaltigkeitsmanager wird sich im Wandel hin zu einer nachhaltigen Organisation mit hoher Geschwindigkeit weiterentwickeln. Positionierung, Geschäftsmodelle, Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens rücken auf ihrer Agenda immer weiter nach oben. Es ist wie bei der Digitalisierung: Eine Zeit lang suchte so gut wie jedes Unternehmen einen Chief Digital Officer, um die Herausforderungen zu bewältigen. Mittlerweile ist das Digitale voll integriert und gehört selbstverständlich dazu. Mit dem Handlungsfeld Nachhaltigkeit verhält es sich genauso. Irgendwann ist es in allen Köpfen präsent sowie in allen Strukturen und System „eingebacken“. Die Unternehmen benötigen dann keine dezidierten Nachhaltigkeitsmanager mehr, sondern Nachhaltigkeitsstrateg:innen.

*Die Heitkamp & Thumann Group (H&T) ist ein Familienunternehmen mit Sitz in Düsseldorf. Seit 1978 produziert H&T Präzisionskomponenten. Die Gruppe besteht aus 15 mittelgroßen Unternehmen, die in drei Divisionen und drei Business Units organisiert sind. Hauptmärkte sind tragbare Energie, Gesundheit und Elektromobilität. Im Jahr 2021 hat H&T einen Prozess für eine übergreifende Nachhaltigkeitsstrategie gestartet und ein Team dafür eingesetzt.

 

Redaktionelle Unterstützung: Bettina Dornberg & Christoph Berdi (die „Identitätsstifter“)

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